Zu Christine Weber und ihrer Serie weak end
In sommerlicher Idylle liegen Tote und Verletzte auf einer Landstraße.
Unfall, Verbrechen, Attentat? Es bleibt ungewiss. Es werden keine Hinweise
auf die Ursache gegeben, lediglich die Wirkung wird dargestellt.
In Christine Webers Serie weak end (2001 bis 2002) stechen zuerst
die leuchtenden, flächig aufgetragenen Ölfarben ins Auge. Mit ihnen
schafft die Malerin auf den ersten flüchtigen Blick eine zunächst
fröhliche Stimmung, die aber bei eingehender Betrachtung der Gemälde
kippt. Die Körper wie auch die Landstraße, Leitplanke und die
Telefonmasten sind in reduziert realistischer Weise gemalt. Die
Flora hingegen wird teilweise in einer ornamentalen Üppigkeit dargestellt,
die sich nicht mit der realistischen Haltung der Malerin z. B. ihren
Personen gegenüber vereinbaren lässt. Diese Kluft verleiht den Arbeiten
eine Aura, die zwar an der Realität des dargestellten Unglücks nicht
zweifelt, aber sie doch gelassen hinnehmen lässt. Wir sind nicht mehr
auf der Suche nach dem Mörder, der Unfallursache oder Ähnlichem, wir
können uns dem Dargestellten mit unserem ästhetischen Vermögen und
nicht mit unserem investigativen oder moralischen Sinn nähern.
Wie die Malerei der Pop-Art arbeitet auch Christine Weber mit der
Entnahme von Motiven aus Bestehendem. Vorlage ihrer Serie weak
end ist Jean-Luc Godards Film Weekend von 1967. Darin ist sie
auf der Suche nach ihren Bildern. In einem zweiten Schritt werden
sie am Rechner manipuliert und neu arrangiert, z.B. werden Leichen
umgebettet und Fahrzeuge entfernt. Als Malerin kann sie im Gegensatz
zum Regisseur nicht mit der Kamera „auf große Fahrt“ gehen und so einen
erzählerischen Zusammenhang herstellen. Das serielle Moment steht bei
Weber nicht im Vordergrund. Die Vereinzelung der Bilder, aber auch die
Veränderbarkeit der Reihenfolge, z.B. in ihrer Hängung - die
Durchnummerierung in den Titeln gibt lediglich die Reihenfolge der
Entstehung wieder - schafft eben einen neuen, nicht-erzählerischen
Zusammenhang, der geprägt ist von den ästhetischen Mitteln der Malerin.
In Ahnlehnung an Godard, dessen Schauspieler in Weekend „aus der Rolle
fallen“ und das Filmgeschehen kommentieren, verweist Christine Weber mit
den unbemalten Flächen auf der Leinwand auf den Prozess der Bilderproduktion,
das Bilder-machen sowie auf das Gemachte an Bildern.
Christine Webers Bilder zeichnet eine fröhliche Gefasstheit, eine
Friedhofsheiterkeit aus; gepaart mit jenem Voyeurismus, der Anklänge
an die Berichterstattung bei Unfällen oder Kriegen zulässt, und nicht
zuletzt der daraus resultierenden sublimen Erotik des entkleidenden Blicks.
Sie können und wollen nicht das Produkt einer akademisch-theoretischen
Untersuchung über den Menschen, den Tod usf. sein, obschon beides in
ihnen auftaucht. Sie widersetzen sich auch dem explizit gesellschaftskritischen
Impetus Godards. Christine Weber hat mit weak end das in der heutigen Zeit
vermeintlich schwache Ende einer Diskussion in der bildenden Kunst
aufgegriffen, die sich um eine ästhetische Auseinandersetzung mit der
Lebenswelt bemüht, ohne die Bedeutung gesellschaftlicher Themen auf die
bildende Kunst zu leugnen. Im Gegenteil, ihnen lässt sie durch ihre Arbeitsweise
und nicht zuletzt durch die Wahl ihrer Vorlage die Tür offen, ohne von ihnen
vereinnahmt zu werden.
Lokiev Stoof
weak end ist die erste Einzelausstellung der Malerin bei ABEL, die
2001 u.a. an der Gruppenausstellung IN GOD WE TRUST teilnahm und gemeinsam
mit der Künstlergruppe BEWEGUNG NURR 2002 im Dresdener Leonhardi-Museum ausstellte.
Christine Weber wurde 1963 in Salzgitter geboren und studierte,
nachdem sie in Bielefeld ihr Diplom für Visuelle Kommunikation an
der Fachhochschule für Gestaltung erfolgreich ablegte, Malerei an
der Berliner Hochschule der Künste, die sie 1998 als Meisterschülerin verließ.
2000 war sie Stipendiatin für bildende Kunst der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Bis Ende 2003 nimmt Christine Weber an dem Künstlerinnenprojekt Goldrausch art IT teil.