Bewegung NURR


BEWEGUNG NURR

Der Geist, der die, 1989 in Dresden gegründete Künstlergruppe BEWEGUNG NURR (Alekos Hofstetter/ Christian Steuer/ Lokiev Stoof) bestimmt, wurzelt in der gleichzeitigen Ablehnung und Bewunderung gegenüber der viel genannten „postmodernen Unübersichtlichkeit“, die sich durch die zunehmende Ortlosigkeit von Gemeinschaft, Arbeit und Kapital auszeichnet. Kulturelle Grenzen befinden sich in Auflösung. Es entstehen transkulturelle Handlungsspielräume, die von der global operierenden Kultur- und Werbeindustrie ausgefüllt werden. Die omnipräsenten Marketing- und Repräsentationscodes der westlichen Dienstleistungsgesellschaft werden im Werk der BEWEGUNG NURR ebenso beleuchtet wie ihre Abfallprodukte und Psychosen, die aus der Angst vor dem Scheitern und dem spirituellem Vakuum des Kapitalismus erwachsen. Die BEWEGUNG NURR versucht in ihren Arbeiten die Möglichkeiten einer „Wirklichkeit in Auflösung“ auszuloten und wendet sich der Fragestellung zu, unter welchen Bedingungen Kunst jetzt sein muss. Boris Abel Wir verstehen uns als Bewegung im eigentlichen Sinne: Bewegung als Bewegung, nicht aber als Fort- oder Rückschritt oder als Bewegung mit zwangsläufigen oder vorhersehbaren Zielen. „Nur“ ist Licht auf Arabisch. Licht ist Bewegung, ist Geschwindigkeit. Der französische Philosoph Gilles Deleuze behandelt in seinem Werk Cinéma 1. L’Image-Mouvement das Problem, wie sich Licht zu Bewegung verhält: Bilder sind Bewegung, sagt er, wie auch Licht Bewegung ist, aber gleich- zeitig ist Bewusstsein schon in dieser Bewegung vorhanden. Wir können also nicht etwa vom „Licht der Erkenntnis“ sprechen, das sich nachträglich aus der Erkenntnis der Bewegung entwickelt. Im Gegenteil, „Licht ist Bewusstsein“ oder paradox formuliert: Bewusstsein ist nicht Licht, sondern umgekehrt, Licht ist schon Bewusstsein. Mit diesem Bewusstsein lassen sich neue Möglichkeiten erschließen. Dabei handelt es sich nicht um ein dialektisches Verfahren, sondern um ein Verfahren, dass fortwährend Gegensätzliches schafft und damit einen neuen Rahmen der Möglichkeiten aufzeichnet. Also kein „Entweder-Oder“-, sondern ein „Sowohl-als-Auch“-Verfahren. Dieses Verfahren ist es, welches uns bestimmt oder, wie Deleuze sagt: „Tatsächlich ist es die Rolle des Lichts, eine Beziehung zu Schwarz als Verneinung=0 zu entwickeln, wonach eine Funktion des Lichts definiert wird als Intensität, als intensive Quantität.“ BEWEGUNG NURR



Daniel Wild talked to Dr. Konstantin Ingenkamp in the ABEL Neue Kunst galler y in September 2000. The following excerpt from the interview deals with the early days and works of BEWEGUNG NURR. WHY NURR ?

KONSTANTIN INGENKAMP: What is BEWEGUNG NURR? You were a member of the group until 1996, then from a transatlantic distance closely followed its subsequent development.

DANIEL H. WILD : When Alekos Hofstetter, Christian Steuer and I founded the artists’ collective BEWEGUNG NURR in 1989 we were pursuing the objective of a programmatically minded group production within a collective authorship. From the outset we saw ourselves as a unit, although in the period 1989–91 we still believed we would be able to proliferate the way a sect does, and we also examined this aspiration – at least as an option – in collages and prints. [See the 1990 comic Le mouvement des cagoules]. It never really came to anything, but various models of cooperation and collaboration remain an important part of our history.

K I : How would you explain the name? NURR comes from the Arabic »nur«, the word for »light«. Did you have a notion of something like collective enlightenment when you established the group?

D W : No, we see ourselves as a movement in the literal sense: Movement as motion, but not necessarily forward or backward, or with mandatory or foreseeable goals. »Nur« means light in Arabic. Light is movement, speed. In his »Cinema 1. The Image-Movement« the French philosopher Gilles Deleuze dealt with the issue of how light relates to movement: Images are movement, he says, just as light, too, is movement. But at the same time consciousness is already present within this movement.

K I : So you can’t speak for example about the »light of realisation« which subsequently develops from awareness of movement?

D W : On the contrary, light is awareness or, to use a paradoxical formulation: Awareness is not light, but the opposite – light is already awareness. New possibilities can be accessed with this awareness. It’s a matter not of a dialectic process but of one which constantly creates opposites, and in doing so creates a new framework of possibilities. So the process is not one of »either-or«, but of »both-an?dyet«. It is this process that defined us, or as Deuleuze puts it: »In fact it is the role of light to develop a relationship to black as negation = 0, according to which the function of light is defined as intensity, as intensive quantity.«